Das ewige Leben ist auch nur endlich, 2025
4 Kanal Audioinstallation
10 Min 21 Sek
11,5 x 7 x 3 m
17kg netllefiber, steel cables
Fibre preparation time with the pulp beater: 3 months
Recording & sound composition: Nikolaus von Bemberg, Marija Margolina
Production: Marija Margolina
Akademie der Bildenden Künste, München (de)
pictures:
Mariella Maier
graphic design (poster & flyer):
Anna Wank
(de) Die Brennessel – oft als brennendes und juckendes Unkraut verkannt – ist eine Pflanze von außergewöhnlicher Widerstandsfähigkeit und Vielseitigkeit. Obwohl ihre Fasern bereits seit Jahrhunderten verwendet werden, erfährt sie erst seit kurzem eine Renaissance im Zuge der Suche nach nachhaltigen Materialien. Ihre Fasern sind nicht nur biologisch abbaubar, sie zählen auch zu den stärksten der Welt. Ohne künstliche Bewässerung und Düngemittel gedeiht die Brennnessel fast überall. Sie symbolisiert damit eine nachhaltige Alternative zu konventionellen Rohstoffen und wird nicht nur in der Textilindustrie, sondern auch in der Verpackungs- und Automobilindustrie, z.B. als Innenverkleidung für Fahrzeuge, eingesetzt.
Die Brennnessel fungiert nicht nur als eine materielle Ressource, sie ist zudem eng mit kulturellen und rituellen Praktiken verknüpft. Da sie einen hohen Stickstoffgehalt im Boden benötigt, ist ihre Verbreitung eng mit menschlicher Tätigkeit und Siedlungsaktivität verbunden – etwa auf Schuttplätzen, Friedhöfen oder an Zäunen. Ihre daraus resultierende, enge Verbindung zu „Übergangsorten“ ließ sie als Brücke zwischen Diesseits und Jenseits erscheinen. Sie gilt als Schutzpflanze, als magisches Amulett gegen Unheil und wurde als solche auch eingesetzt – widerstandsfähig, beinahe unzerstörbar.
In meiner künstlerischen Forschung habe ich mich über drei Jahre hinweg mit der Brennnesselfaser auseinandergesetzt – nicht als „totes“ Material, sondern als Dialogpartnerin.
Für die Skulptur habe ich 17 Kilogramm Brennnesselfasern über verschiedene Materialzustände hinweg transformiert. Die Brennnessel entzieht sich dabei zu einem gewissen Grad der Formgebung – sie bleibt eigenständig, widerspenstig, lebendig. In der Skulptur wird dieses Wechselspiel von Gestalt und Auflösung, von Festigkeit und Vergänglichkeit sinnlich erfahrbar.
Die Mehrkanal Soundinstallation lässt die Brennnessel selbst zu Wort kommen. Der Pianist Nikolaus von Bemberg bespielte die Brennnesselskulptur und komponierte zusammen mit der Soundkünstlerin Marija Margolina die zu hörenden Frequenzen. Der Sound kann als akustisches Zeugnis unserer Begegnung angesehen werden in der sich die Pflanze über ihre physische Beschaffenheit hinaus ausdehnt.
(en) The nettle – often misunderstood as a stinging and itchy weed – is a plant of extraordinary resilience and versatility. Although its fibres have been used for centuries, it has only recently experienced a renaissance in the search for sustainable materials. Its fibres are not only biodegradable, they are also among the strongest in the world. Without artificial irrigation or fertilisers, the nettle thrives almost anywhere. It thus symbolises a sustainable alternative to conventional raw materials and is used not only in the textile industry, but also in the packaging and automotive industries, e.g. as interior trim for vehicles.
Nettles are not only a material resource, they are also closely linked to cultural and ritual practices. As they require high nitrogen content in the soil, their distribution is closely linked to human activity and settlement – for example, on rubbish dumps, in cemeteries or along fences. Their resulting close connection to ‘places of transition’ made them appear as a bridge between this world and the next. They are considered a protective plant, a magical amulet against misfortune, and were used as such – resilient, almost indestructible.
In my artistic research, I have been working with nettle fibre for three years – not as a “dead” material, but as a dialogue partner. For the sculpture, I transformed 17 kilograms of nettle fibres across various material states. To a certain extent, the nettle eludes shaping – it remains independent, unruly, alive. In the sculpture, this interplay of form and dissolution, of solidity and transience, can be experienced sensually.
The multi-channel sound installation lets the nettle speak for itself. Pianist Nikolaus von Bemberg played the nettle sculpture and composed the audible frequencies together with sound artist Marija Margolina. The sound can be seen as an acoustic testimony to our encounter, in which the plant extends beyond its physical nature.